PSE, Konsolenprogramm (Was: Gymnasium Odenthal ...)

Berthold Cogel cogel at rrz.uni-koeln.de
Mon Okt 3 15:38:05 CEST 2005


Josef 'Jupp' SCHUGT schrieb:
> 
> Als ich am Samstag bei Bouvier war, habe ich mir extra die Mühe
> gemacht, im Holleman-Wiberg (101. Auflage) nachzuschlagen und wundere
> mich nun nicht mehr über die Begriffsverwirrung. Die dort zu findenden
> Darlegungen sind - und das ist noch freundlich formuliert - ein wenig
> verwirrend. Mir wurde jedenfalls nicht klar, ob dieses Werk nun
> propagiert, "Halbleiter" und "Halbmetall" seien synonym oder sie als
> auch aus chemischer Sicht unterschiedlich ansieht. Ich habe extra ein
> zweites Mal auf den Anband geschaut, denn ich habe zuerst gedacht, das
> falsche Buch in Händen zu halten.

Das Dumme bei der Diskussion ist, daß hier, wie Rasmus schon
feststellte, Äpfel mit Birnen verglichen werden! Es geht um zwei
unterschiedlich definierte Mengen, die dummerweise eine große
Schnittmenge haben.

Zm einen betrachtet der Chemiker die rein chemischen Aspekte wie
Reaktionen und Bindungsarten. Zum anderen geht er bei der Betrachtung
natürlich auch auf die physikalischen Eigenschaften wie z.B. die
Leitfähigkeit ein. (Im Gegensatz zur Physik schaut die Chemie regelmäßig
auch mal über den eigenen Hutrand hinaus.)


Der Begriff des Halbleiters bezieht die Betrachtung der physikalischen
Eigenschaft der Leitfähigkeit und geht zurück auf auf die Definitionen
aus dem Bändermodell.

<Klugsch..>
Bänder: Die diskreten Energieniveaus der Elektronen in isolierten Atomen
sind im Kristallgitter zu Bändern verbreitert. Ein solches Band ist erst
dann vollbesetzt, wenn jeder Energiezustand von 2 Elektronen mit
entgegengesetztem Spin besetzt ist.

Valenzband: Das energetisch höchste *vollbesetzte* Band.

Leitungsband: Das nächste Band über dem Valenzband.

Isolatoren: Nur vollbesetzte und durch breite Lücken getrennte Bänder.

Halbleiter: Leeres Leitungsband. Bei 0K nicht leitend. Valenz- und
Leitungsband liegen dicht genug zusammen, daß die Lücke bei steigender
Temperatur von Elektronen überbrückt werden kann. Die Leitfähigkeit
steigt mit der Temperatur an.

Elektrische Leiter: Teilbesetztes Leitungsband oder überlappende Bänder.
</Klugsch..>

Übrigens sind nach dieser Defintion (wenn ich mich recht erinnere)
Halbmetalle Metalle 2. Art, die 2 Leitungsbänder besitzen, von denen
eines fast vollständig und das andere praktisch unbesetzt ist
(As,Sb,Bi). Die Bänder liegen dicht zusammen, überscheiden sich aber nicht.


<Klugsch..>
Eine weitere Definition, nachzulesen in 'Inorganic Chemistry'
(Shriver/Atkins/Langford):

A metallic conductor is a substance with an electric conductivity that
decreases with increasing temperature.

A semiconductor is a substance with an electric conductivity that
increases with increasing temperature.

Wegen der zunehmenden thermischen Bewegung der Atome im Gitter nimmt der
elektrische Widerstand in Metallen zu, während im Halbleiter bei
zunehmender Temperatur immer mehr Elektronen ins Leitungsband wechseln
können (Da steht nichts von Halbmetallen!).
</Klugsch..>

Übrigens: Es gibt auch noch sogenannte Meta-Metalle! ;-)


Daneben gbt es dann noch die chemische Betrachtungsweise, bei der auch
das Verhalten in chemischen Verbindungen betrachtet wird.
So treten Halbmetalle in verschiedenen Modifikationen auf, teilweise mit
eindeutig nichtmetallischem Charakter. Es gibt Sprünge in physikalischen
Eigenschaften beim Wechsel zwischen den Modifikationen und es treten
z.B. Schmelzpunktanomalien auf, was u.a. durch Anteile kovalenter
Bindungen erklärbar ist. U.s.w..

Der Trick des Chemikers (zumindest der meisten ;-)) ist es nun, zwischen
den verschiedenen Sichtweisen nach Bedarf wechseln zu können. Deshalb
ist das für den Laien in der chemischen Fachliteratur etwas verwirrend
und vielleicht manchmal doppeldeutig. Außerdem habe ich die Beobachtung
gemacht, daß ab einem gewissen Punkt der Chemiker, der für sich intuitiv
mit solchen Problemen umgeht, nur schwer in der Lage ist, das in
einfachen Worten für einen Nichtchemiker darzustellen.

Sollte weiterer Diskussionsbedarf bestehen, so würde ich vorschlagen,
das intelektuelle Hintergrundrauschen nun nach linux-users-discussion zu
verlagern, jetzt wo das Konsol-PSE verfügbar ist. Dann könnten wir ja
auch auf die quantenchemischen Aspekte des Bändermodells eingehen. ;-)
Schrödinger und Heisenberg lassen grüßen.

Gruss
Berthold